Der Wieblinger Bund – ein geschichtlicher Überblick

Mehr als 75 Jahre Thaddenschule (Gründung 1927) geben Anlass, sich auch einmal mit der Historie des Wieblinger Bundes, des Vereins der ehemaligen Thaddenschüler, zu beschäftigen.

Als Quellenmaterial diente ein Ordner mit den gesammelten Rundbriefen. Letztere lassen sich auf die Gewohnheit von Elisabeth von Thadden zurückführen, in ihren Adventsbriefen mit ihren ehemaligen Schülerinnen auch über die Schulzeit hinaus Verbindung zu halten. Die Bedeutung dieser Rundbriefe hat Elisabeth v. Thadden nach ihrem 2-jährigen Pensionatsaufenthalt (1905–1907) im Viktoria-Stift in Baden-Baden kennen und schätzen gelernt; trugen sie doch sehr viel zum Erhalt des Kontaktes zu den ehemaligen Mit-Pensionärinnen bei.

Elisabeth von Thadden mit einer Schülerinnengruppe vor dem Schloss

In der Ansprache von Prälat Hermann Maas anlässlich der Urnenbeisetzung am 3. Juni 1949 in Wieblingen wird dieses Anliegen ebenfalls aufgegriffen: »… Wie sie ihre Briefe, die geschriebenen und die vervielfältigten, nutzte zu stets neuer Befestigung des Bandes, das sie mit ihren Lieben (gemeint sind die ehemaligen Schülerinnen) in aller Welt verknüpfte […] und ihre Adventsbriefe aussandte, in denen sie die großen und kleinen Ereignisse, die frohen und die schweren Schicksale der lieben ›Wieblinger Kinder‹ aufzeichnete.«

Das Wiederaufleben dieser Rundbrief-Tradition sowie die Initiative zur Gründung des Wieblinger Bundes verdanken wir insbesondere Hannah Walz, der ehemaligen Geschäftsführerin und eine der herausragenden Persönlichkeiten der Thaddenschule. Sie verschickte ab Neugründung der Schule 1946 in unregelmäßigen Abständen einen Wieblinger Bericht an die ehemaligen Schülerinnen.

Der erste der im Archiv-Ordner gesammelten Rundbriefe, der auf die Gründung des Wieblinger Bundes hinweist, stammt vom Dezember 1949. Hierin findet sich Folgendes: »… Allgemein wurde es begrüßt, dass nun wieder der Kontakt aufgenommen werden soll, und viele haben sich bereit erklärt, in einer Vereinigung der Alt-Wieblingerinnen mitzuarbeiten.« Und weiter ist zu lesen: »… Zum Abschluss dürfen wir noch einmal unsere Bitte wiederholen, daß alle diejenigen, die dazu die Möglichkeit haben, durch kleinere oder größere Beiträge helfen, die nicht unerheblichen Kosten, die für den Aufbau der Vereinigung der Alt-Wieblingerinnen durch hohe Verwaltungs-, Porto- und Schreibgebühr-Aufwendungen anfallen, zu decken. Die Schule selbst hat, wie Sie sich denken können, noch viele Schwierigkeiten zu überwinden. Es ist nicht einfach, in einer derart geldknappen Zeit neu aufzubauen. An allen Ecken und Enden fehlt es noch an Einrichtungen, Lehrmaterial usw. Und die sozialen Verpflichtungen für Kinder aus verarmten Flüchtlingsfamilien usw. sind unerhört gewachsen. Die Fühlung mit den Schülerinnen aus der alten Zeit liegt uns aber sehr am Herzen. Für jede Hilfe hier sind wir sehr dankbar …«. Man erhoffte sich natürlich auch mit der Gründung eines Ehemaligen-Bundes nicht nur über die Schulzeit hinaus eine »geistige« Verbindung, sondern auch eine finanzielle Unterstützung für Schule und Internat.

In einem weiteren Rundbrief vom 15. Mai 1950 wird sodann zu einem Alt-Wieblinger-Treffen am 29. Juli, dem 60. Geburtstag Elisabeth von Thaddens, eingeladen. Am Sonntag, dem 30. Juli 1950, soll – lt. Programm – »… in einer allgemeinen Versammlung die Vereinigung der Alt-Wieblingerinnen gegründet und der Vorstand usw. gewählt werden …«.

Das Treffen fand zum geplanten Termin statt. Das Gründungsgremium bestand aus der Schulleiterin Paula Schenkel, Dr. Marie Baum, Ehrengard Schramm (Schwester von E. v. Thadden) und Hannah Walz. Letztere hatte eine Satzung für den zu gründenden Wieblinger Bund entworfen, die von den anwesenden Alt-Wieblingerinnen mit kleinen Änderungen angenommen wurde. Sodann wurde auf Vorschlag von Hannah Walz der erste Vorstand des Wieblinger Bundes von den anwesenden Ehemaligen gewählt. Diesem gehörten an: Maria v. Thadden (1. Vorsitzende), Ulrike Haas (2. Vorsitzende), Rita Giulini, geb. v. Campe, (Schriftführerin), Sitta v. Klitzing, geb. v. Wintzingerode-Knorr, (Schatzmeisterin), und Elisabeth Wiedeburg (Beisitzerin).

Der Vorstand beschloss einen Jahresbeitrag von 5,00 DM zu erheben, »Ratenzahlung ist zulässig«. Und weiter: »… , daß ein Spenderfonds ins Leben zu rufen ist, der unabhängig von den Beitragsleistungen sein soll. Er ist bestimmt für die E. v. Thaddenschule, zur Finanzierung der in jedem Jahr geplanten Treffen und für bedürftige würdige Altwieblingerinnen. …« (zitiert aus dem September-Rundbrief 1950).

Der nächste ausführlichere Rundbrief, der auch einen informativen Bericht von Schul-, Internats- und Geschäftsleitung enthält, stammt aus der Adventszeit 1954. Dort wird von der sehr eindrucksvollen und bewegenden Gedenkfeier anlässlich des 10. Todestages von Elisabeth v. Thadden berichtet. Ferner werden die Alt-Wieblingerinnen über den Neubau im Park, das »Parkhaus«, und seine »Multi-Funktion« unterrichtet (Klassenräume bzw. Tagesheim-Räume im Erdgeschoß, darüber Internats- und Familienmutterzimmer). Durch Spendengelder des Wieblinger Bundes konnte ein Beitrag zur Treppenhausgestaltung geleistet werden.

Im Kassenbericht von »1953 bis 1955« mahnt die Schatzmeisterin ausdrücklich die säumigen Beitragszahler, da die Einnahmen des Wieblinger Bundes vor allem der Unterstützung in Not geratener ehemaliger Schülerinnen sowie auch als Beihilfe zum Schulgeld für bedürftige Schülerinnen dienen sollen.

Um Spenden wurden die Ehemaligen für den Neubau des Schulhauses in den Rundbriefen von 1956 und 1957 gebeten. Viele kamen diesem Aufruf nach mit kleinen und größeren Beträgen, die dankbar von den Verantwortlichen in Wieblingen angenommen wurden.

Finanzielle Engpässe gab es in Wieblingen trotz größter Sparsamkeit immer. Der Wieblinger Bund konnte aufgrund des ausgeprägten Zugehörigkeitsgefühls der ehemaligen Schülerinnen zu Internat und Schule mit Spenden Unterstützung leisten.

Mit Hilfe der Mitgliedsbeiträgen wurde in den Jahren nach 1950 begonnen, regelmäßig zu Weihnachten Pakete nützlichen Inhaltes an Alt-Wieblingerinnen in die damals sog. Ostzone, später DDR, zu schicken. Diese Aufgabe hatte über all die Jahrzehnte Caroline Rhodius, verh. Eschweiler, in dankenswerter Weise übernommen.

1970 wurde der Jahresbeitrag auf 10 DM erhöht. So konnten unter anderem ein Freiplatz für eine Internatsschülerin bezuschusst, eine Kasse zur Unterstützung von Schulausflügen eingerichtet und ein Kunstpreis gestiftet werden. 

Die angeführten Berichte und Aufrufe in den Rundbriefen aus den Anfängen des Wieblinger Bundes sind exemplarisch für die Tätigkeiten des Wieblinger Bundes. In dieser Weise wurden und sind seine Aufgaben definiert: Verbindung untereinander zu pflegen, das Interesse an der Schule wach zu halten und,- damit verbunden, die Schule finanziell zu unterstützen. Die Schule konnte und kannn sich in jedem Jahr auf materielle Zuwendungen verlassen.
1992 wurde der Wieblinger Bund zum eingetragenen Verein (e.V.) und als gemeinnützig anerkannt. Der Mitgliedsbeitrag für die Ehemaligen , damals jährlich 20 DM, ist nun ab diesem Zeitpunkt steuerlich absetzbar.

Die Kontinuität des Wieblinger Bundes spiegelt sich auch in der Besetzung des Vorstandes wieder. Wechselten sich von 1950 bis 1957 die Thadden-Geschwister Maria, verh. Wellershoff, und Barbara, verh. Fox, als jeweils 1. Vorsitzende ab, so führten Marie-Barbara (Lou) v. Seidlitz (1957–1961), Caroline Rhodius, verh. Eschweiler, (1961–1964), Christa v. Braunschweig, verh. v. Koeller, (1965–1970), Verena Auffermann, verh. Baldamus, (1970–1984), und Rita Nohl, verh. Nohl-Nickel, (1984–1997) den Wieblinger Bund mit großem Einsatz durch die Jahre. 
Nicht unerwähnt dürfen die beiden Schatzmeisterinnen Sitta v. Klitzing, geb. v. Wintzingerrode-Knorr, (1950–1974), und Martina (Mücke) van de Loo, geb. Meier, (1975–2003) bleiben. Ihrer langjährigen Tätigkeit, Umsicht und Sachkenntnis ist es zu verdanken, dass der Wieblinger Bund der Schule jedes Jahr einen hohen festen Betrag zur Verfügung stellen konnte.

Viele sinnvolle Anschaffungen sind darüber hinaus für die Schule durch die Mitgliedsbeiträge finanzieren worden (in jüngerer Zeit zum Beispiel Anschaffung von Musikinstrumenten, Photoapparat, Teppich für die Kapelle, Turngeräte, Kopiergerät, Tische, Stühle und Beleuchtungskörper für das Tagesheim, Schulstühle, Computer bzw. -zubehör, Computer-Lernprogramme, Unterrichtsmittel für den Physik-Unterricht, Mikroskope für den Biologie-Unterricht etc.).

In unterschiedlichen Jahresabständen, seit den 80er Jahren im 6-Jahres-Rhythmus, wurde die bestehende Adressenliste der Ehemaligen aktualisiert und an die Mitglieder verschickt. So besteht die Möglichkeit , auch ohne Wieblinger Treffen Verbindung miteinander aufzunehmen, zum Beispiel um Klassentreffen zu organisieren.

Ab 1957 erscheint jedes Jahr ein Rundbrief. Dieser informiert u.a. über Ereignisse und Neues in Schule, Internat und Tagesheim, berichtet über ehemalige Schüler, die zu »Ruhm« (zum Beispiel durch Buchveröffentlichungen) gekommen sind oder lässt Ehemalige zu Wort kommen, die von einer interessanten Erfahrung, zum Beispiel von einem längeren Auslandsaufenthalt, erzählen möchten. Familiennachrichten wie Verlobungen, Vermählungen und Geburten haben ihren festen Platz im Rundbrief, Todesfälle werden mitgeteilt und Nachrufe veröffentlicht.

Die Treffen der Alt-Wieblingerinnen fanden in den Anfängen jährlich statt, dann im 2-Jahres-Rhythmus und schließlich, ab 1970, alle 3 Jahre.

Daran hat sich bis heute nichts geändert. Die Treffen In Wieblingen haben immer noch ihre besondere Bedeutung im Leben einer Ehemaligen, – und seit 1990 auch eines Ehemaligen, nachdem seit 1981 auch Jungen in die Schule aufgenommen werden. Erinnerungen werden wach und aufgefrischt, familiäre und berufliche Werdegänge mitgeteilt, Ereignisse und Veränderungen in der Schule mit großem Interesse aufgenommen.

Jedoch sollte auch bedacht werden: Der Wieblinger Bund lebte und lebt immer noch vor allem von den einstigen Internatsschülerinnen. Diese haben, da sie in Wieblingen nicht nur zur Schule gingen, sondern auch – bis auf die Ferienzeit – dort auf dem Gelände lebten, eine ganz besonders enge Beziehung zu »Thaddens«. Manche Schülerin war gar 9 Jahre im Internat! Wen sollte es da wundern, wenn diese Zeit nicht ihre Spuren hinterlassen hätte. Das gemeinsame Erleben des über den Schulvormittag hinausgehenden Alltags, das zu mehreren in einem Zimmer Wohnen, die gemeinsame Freizeitgestaltung, die Erzieherinnen und nicht zuletzt die jeweilige Heimleiterin prägten die Schülerinnen, jede auf ihre Weise.

Dem Vorstand des Wieblinger Bundes ist sehr daran gelegen, die ehemaligen Schülerinnen und Schüler der »Nach-Internats-Ära« von der Notwendigkeit der Existenz dieses Vereins zu überzeugen. Auch zukünftig sollte doch über die Schulzeit hinaus mit seiner Hilfe das Interesse an den früheren Mitschülern, Lehrern und der Schule aufrecht erhalten werden. Um die Schule auch weiterhin in der aufgeführten Weise unterstützen zu können, muss die derzeitige Mitgliederzahl (ca. 2.000, davon knapp 1.000 regelmäßig zahlend) erhalten bleiben.

Einig sind wir uns sicher alle darüber, dass diese Schule einen wesentlichen Beitrag zu unserer Persönlichkeitsentwicklung und für unseren jeweils eigenen Werdegang geleistet hat. Deshalb wäre es ein Zeichen der Anerkennung, wenn sich vermehrt künftige Schulabgänger zur Mitgliedschaft im Wieblinger Bund entschließen könnten.

Dr. Dorothee Ostertag-Körner
(ehem. 1. Vorsitzende des Wieblinger Bundes)